H i s t o r i s c h e    B e s c h r e i b u n g e n









Abschriften
1936
 
Text (Schreibmaschine und Zeitungsartikel um 1936)
 
In den Jahren 1695 – 1699 erschien zu Hamburg eine Schrift, die den Titel führt: „Historischer Kern oder kurze Chronika der merkwürdigsten Welt- und Wundergeschichte,
Belagerung, Ueberziehung und Bombardirung vieler vornehmen Länder und Städte, See- und Land-Aktionen“. Darin stehen folgende Angaben:
 
Das Hirschdenkmal bei Briesen
 
„Am 18. September 1696 schoss der Kurfürst von Brandenburg im Amte Biegen auf der Jacobsdorfer Haide einen Hirsch, dessen Krone 66 Zacken trug, und der über 5 Centner wog. Das Bild dieses Hirsches wurde der Merkwürdigkeit wegen durch Kupferstich vervielfältigt und hin und wieder vom Kurfürsten an Potentaten verschenkt.“
 
Der Schauplatz dieses Ereignisses, das der damaligen Welt so wunderbar erschien, daß in die Chronika der Weltgeschichte aufgenommen wurde, liegt in der Haide, die sich südlich von der Station Briesen zur Spree hinunterzieht, und ist durch ein Denkmal geziert. Wenn man vom Dorfe Briesen den Weg nach Neubrück verfolgt, so gelangt man nach etwa ¾ Stunden an einen Platz, der eingezäunt und mit Bänken versehen ist. In der Mitte des Platzes erhebt sich ein Steindenkmal, aus einem viereckigen Sockel mit Stufen und einer dicken Steintafel bestehend, deren Vorderseite der Kopf des 66-Enders ziert. Auf der Rückseite der Steintafel befindet sich nachstehende Inschrift:
 
"Diesen Hirsch hat in der
Brunst-Zeit mit eigener Hand
geschossen der Durchlauchtigste
Großmächtigste Fürst und Herr
Herr Friedrich der Dritte
Marggraf und Churfürst
zu Brandenburg im Ambte
Biegen auf der Jacobsdorff-
schen Heyde, den 18ten Septembr.
Anno 1696, hat gewogen Fünff
Centner 35 Pfd, nachdem er schon
3 Wochen geschrieen"
 
Das Geweih des Hirsches soll einer alten Nachricht zufolge nach der Kunstkammer in Berlin gekommen sein. Da die Raritäten und Kunstschätze der ehemaligen Kunstkammer theils in das Hohenzollernmuseum im Schloß Monbijou, theils in das Antiquarium des alten Museums in Berlin gelangt sind, so müßte sich das seltene Geweih dort befinden.
Das ist aber nicht der Fall, und vermuthlich wird es in einem der Jagdschlösser, Beispielsweise Königs-Wusterhausen, aufbewahrt.
   
 
 
 
 
 
 
Abschrift
Artikel der Oderzeitung Nr.196
23.08.1936
 
Bittgesuch des Heidereiters von Biegen
 
Im Regierungs-Archiv zu Frankfurt a.O. findet sich ein Bittgesuch des Heidereiters Andreas Siebenbürger (Acta wegen des wüsten Bauern-Hofes, welche dem ehemaligen Heydereuther Andreas Siebenbürger zu Biegen geschenkent worden. Nr.11),
das 1702 verfaßt wurde:
„Es ist meine Station so beschaffen, daß mit meiner Familie von denen jährlichen Gefällen und Gehalte ich kaum zulänglich subsistieren kann, und verstatten die continuierlichen Absichten und in Achtnehmung dessen, was mir anvertraut worden, mir nicht Gelegenheit darneben etwas zu luccieren. Damit nun beydes ich eine geringe Accession meiner Einkünfte verspüren und die meinigen nach meinem Tode nicht crepieren, sondern eine sichere Zuflucht und nothdürftigen Unterhalt vor sich finden mögen, habe in Ansehung ich nichts Erblich besitze, einen wüsten Bauer-Hof von 3 Huffen in Ew. Kgl. Majestät Amtsdorf Biegen ich beschlossen anzubauen, wobey ich Ew. Kgl. Majestät ich fußfällig antrete und in allertiefster Untertänigkeit allerdemütigst bitte, Sie wollen geruhen statt einer allergnädigsten Erkenntlichkeit meiner alleruntertänigsten Dienste, die ich in dem Jacobsdorff’schen Heyderitte bisher treulich geleistet und Zeit meines Lebens unermüdet damit zu continuieren beharlich gesonnen, dero hohe Landesväterliche Huld und Gnade mir zuzuwenden und solchen Hoff mir und meinen Erben von Diensten, Pächten und anderen Stranstationen und Beschwerden ausgenommen Contributionen, die ich nach geendigten 6 Frey-Jahren abgeben will, allergnädigst frey zu erklären, auch zum Bau das benötigte Holz ohnentgeltlich anweisen und abfolgen lasse. Welche E.K.M. hohe Clemence in alleruntertänigster Submission ich unveränderlich erkennen werde. Ew. Kgl. Majestät alleruntertänigster und gehorsamster Andreas Siebenbürger, Heyde-Reuter auf Heyde-Hause zu Jacobsdorf.“
Demnach Sr. Majestät in Preußen, unser allergnädigster Herr sich allergnädigst erinnern, daß sie dem Supplicanten zu der Zeit, als Sie den Hirsch von 66 Enden unter dessen Beiritt geschossen, eine Special-Gnade zugesagt: Als habe sie in sothaner Consideration dessen alleruntertänigstes Suchen in Gnade deferiret und Ihm und seine Erben den vorgeschlagenen wüsten Bauernhoff und 3 Huffen in dem Amtsdorffe Biegen frey von Diensten, Pächten und anderen Stranstationen und Beschwerden jedoch die Contributionen ausgenommen, welche er nach geendigten Frey-Jahren abzugeben sich alleruntertänigst anheischig gemacht, allergnädigst geschenket und zugewendet. Wornach denn die allhiesige Amts-Kammer sich gehorsamst zu achten und die Verfügung zu thun hat, daß Ihm solcher Bauer-Hoff angewiesen und eingeräumt werden soll.
Signatum Cölln a.d. Spree, den 28. Febr. 1702
                                                                                                                                                                 (L.S.) Friedrich.
                                                                                                                                                                  Wartenberg.  
 
 
 
 
 
 
 
Abschrift
Artikel der Oderzeitung vom 23.08.1936
 
Das 66-Ender-Denkmal in dem Forstamt Neubrück
 
Zu der Bildseite „Arbeit und Feier“ in unserer heutigen Illustrierten (2 Fotos)
 
Durchwandert man die herrliche Forst in der Ecke am Friedrich-Wilhelm-Kanal und der Spree, so trifft man, von Briesen kommend, an der Straße nach Neubrück, kurz vor der Gabelung des Weges nach Kersdorfer Schleuse im sogenannten „Breitegestell“ ein Denkmal, das auf seinem oberen Teil einen Hirschkopf trägt. An der Rückseite ist eine Inschrift zu erkennen, die, stark verwittert, nicht sogleich lesbar ist. Das Denkmal ist mit einem schlichten Holzzaun umgeben und steht mitten unter hohen schattigen Bäumen. Ihm gegenüber liegt eine zur Rast einladende Waldhütte, vor der links eine Eiche aufragt, die, wie ein Gedenkstein kündet, von den Forstarbeitern des Breitegestells zum 80.Geburtstag des Altreichskanzlers Bismarck gepflanzt worden ist. Hier in der Stille sinnt man leider vergeblich nach, was wohl dieser „Hirsch“, wie das Denkmal von den Bewohnern der Umgebung bezeichnet wird, zu bedeuten hat. Da wir auch in den benachbarten Dörfern keine genaue Auskunft darüber erhalten konnten, wandten wir uns an Forstmeister Pogge – Neubrück, der im Folgenden Auszüge aus der Jagdzeitschrift „Wild und Hund“, Jahrgang 1901, zusammengestellt hat. So hören wir über Ursprung und Bedeutung des „Hirschdenkmals“, von dem wir in unserer heutigen Ikkustrierten aus der Seite: „Arbeit und Feier zwischen Briesen und Kersdorfer Schleuse“ eine Abbildung bringen.
 
Über die Erlegung des 66-Enders berichtet Wildungen: „Anno 1696 hat sich ein Hirsch von 66 Enden auf der Karthäuser oder Jacobsdorfischen Heyde in dem Amt Biegen unweit von Fürstenwalde und Frankfurt a.O. präsentiert und ist von dem Jagdreuter Andreas Siebenbürger eine Zeit lang beobachtet und nachdem Sr. Kgl. Majestät dero Herbstluft in der Gegend genommen, den 18. September, von demselben mit eigener hohen Hand gefället worden. Wobei der Fürstl. Anhaltische Rath Friedrich Calmus nebst üblichen hierauf gemachten Versen einige Anmerkungen aus den Naturkündigern, so von den Hirschen und anderem Wild geschrieben, zusammengetragen, daß nemlich Herzog Wilhelm zu Bayern unter seinen fürnehmsten Stücken ein Geweih von 42 Enden gehabt und solches der Königin Marie von Ungarn geschenket, auch daß ein Herzog in Pommern in der Heyde bei Tanne, eine Meile von Gollnow, einen Hirsch von 34 Enden gefället und zu dessen Andenken daselbst eine steinerne Tafel aufrichten lassen.“
Diese Notizen wurden von Wildungen den Aufzeichnungen des alten märkischen Chronisten Beckmann entnommen. („Historische Beschreibung der Chur und Mark Brandenburg“ von Johann Beckmann, Berlin 1751.)
 
Erinnerungen in Museen und Schlössern
 
Außer dem Denkmal in der Försterei Breitegestell (Jagen 186), dem Riedingerschen Stich, deren Nachahmungen des Geweihs in Holz und Gips (im Hohenzollern-Museum zu Berlin, im Jagdschlosse Königswusterhausen, im Audienzsaal des Schlosses Moritzburg, einer Wetterfahne auf einem Nebengebäude im Schloßhof des Jagdschlosses Grunewald) erinnern drei Oelgemälde an den berühmten Hirsch. Zwei Porträts (der Hirsch hat sich niedergetan) ohne weitere Inschriften befinden sich in den Jagdschlössern Grunewald und Königswusterhausen, das dritte hängst im Steinsaal der Moritzburg und trägt folgende Inschrift: „Abris des raren Hirschgeweihes, welches S. C. D. zu Brandenburg Anno 1696, den 18. Sept. in dem Ampt Biegen gefellet haben“. Das Gehörn von oben abgemahlten Hirsche hat 66 Enden gehabt, ist fast 3 ½ Schu breit und 3 Schu 7 Zoll rheinländisch Maas hoch gewesen. Der Hirsch hat auf der Schmalwage gewogen 6 Ctr., 11 Tf.“
Über das Geweih des 66 Enders gibt der Direktor des Sächsisch zoolog. Museums in Dresden, Hofrat Dr. Meyer, in seinem Werke: „Die Hirschgeweih-Sammlung im kgl. Schlosse zu Moritzburg“ Dresden 1883, folgende Maße an:
Sechsundsechzig Enden (ungerade), Schädelecht (mit Haut und Haar). Rechts 33, links 29 Enden. Obere Hälfte der Stangen incl. Der Mittelsprossen monströs. Krone muldenförmig, flach ausgebreitet, die rechte trägt 22, die linke 23 Enden und Zacken (wobei einige kleine Zacken nicht mitgezählt sind). Die Mittelsprossen laden fächerartig aus, die linke steht mehr ab, ist etwas vertieft und trägt 4 Zacken. Die linke Eissprosse ist abgebrochen. Farbe matt bräunlich-grau. Perlung grob ausgeprägt. Gewicht geschätzt auf 5 ½ kg (berechnet auf 5,620 Kilogramm, mit Kopf gewogen 15,720 Kilogramm).
Hängt im Audienzsaal über der Haupteingangstür.
Wenn das Geweih auch als monströs bezeichnet werden muß, so ist die Regel- und Gesetzmäßigkeit der an beiden Stangen sehr gleichen Bildungen doch auch zoologisch von Interesse. (Genaue Daten, Ausladung und dgl. In den Akten VII.7.66. Dresden. 13.02.1901)
Die Büchse, mit der der Kurfürst den glücklichen Schuß getan, ist erhalten geblieben; sie gehört zum Inventar des Hohenzollern-Museum in Berlin.
 
Bittgesuch des Heidereiters
 
Im Regierungsarchiv zu Frankfurt (Oder) befindet sich ein Bittgesuch des Heidereiters Andreas Siebenbürger (Acta wegen des wüsten Bauernhofes, welcher dem ehemaligen Heydereuther Andreas Siebenbürger zu Biegen geschenket worden. Nr.11), das 1702 verfaßt wurde. Siebenbürger hatte dem Kurfürsten bei der Erlegung des Hirschen von 66 Enden Beiritt geleistet und so war ihm eine Spezial-Gnade zugesagt worden.
 
Verbleib des Geweihes
 
Über den Verbleib des Geweihes berichtet der Sächsische Archivar Distel:
Der Träger dieses originellen Kopfschmuckes wurde am 18.Sept. 1696 durch Kurfürst Friedrich III. im Amte Biegen erlegt; Friedrich Wilhelm I., der dem Kurfürsten von Sachsen schon viele seltene Geweihe geschenkt hatte, darunter eines „dont une cote est fait par en haut en forme de Kolbe. et a 23 points“ willigte dem Grafen Flemming gegenüber in die Abtretung des 66-Enders „sans aucune condition“(unverbindlich).
Flemming hat seinem Herrn bereits darüber berichtet, auch durch Ilgen bei seinem bezüglichen Erinnerungsschreiben an den König vom 11.10.1727 die beifällige Resolution gesehen. Dieselbe liegt im Original neben dem Flemmingschen Konzept und lautet:
„Von Ilgen, ich werde es an König (von Polen) senden.“
Als einige Tage später (am 10.) der Preuß. Generalleutnant von Borck dem König in der Geweihangelegenheit nahte, verlangte dieser als Gegengeschenk – dabei lächelte er jedoch – „un beau Colonelle de Potsdam“ „eine schöne Garde für mein Potsdam“ (Aus der Zeitschrift für Museologie und Antiquitätenkunde, sowie für verwandte Wissenschaften. Dresden 1882. Nr. 16 S.123: Der ungerade 66-Ender in der Sammlung monströser Geweihe im Audienzsaal des Schlosses zu Moritzburg, mitgeteilt von Th. Distel.)“
Noch wiederholt wurde wegen dieses Geweihes korrespondiert, doch auf des Königs von Preußen Bedingung scheint man in Sachsen nicht eingegangen zu sein.
Als König Friedrich Wilhelm I. und sein Sohn Friedrich wenige Monate später (am 12.02.1728) ihre Namen in das Willkommenregister zu Moritzburg eintrugen, war der 66-Ender gewiß nicht mehr in Wusterhausen, schenkte doch alsbald der König von Preußen dem Kurfürsten von Sachsen sogar das kostbare Bernsteinkabinett. Die Überlassung des kostbaren Geweihs ohne Gegenleistung an den Kurfürsten von Sachsen dürfte wohl in politischen Rücksichten ihre Ursache finden.
In der Weihnachtsnummer 1920 der „Deutschen Jäger-Zeitung“ erschien eine Erzählung über den 66-Ender von Franz Genthe :
„Hei Perkun – heia Perkunas!“ (Perkuna= Himmelsgott für Donner) Sie ist „etwas lögenhaft to vertellen“ aber so hübsch geschrieben, daß sie nicht in Vergessenheit geraten darf. Sie handelt von einer hübschen Förstertochter, die auf ihrem zahmen Elch reitend dem 66-Ender, der nach dem Schuß ein unergründliches Sumpfland angenommen hatte, mit einem Jagdspeer den Fang gab.
 
Erinnerungsfeier
 
Zu bemerken ist noch, daß zur Erinnerung an die vor 200 Jahren erfolgte Erlegung des 66-Enders am 18.09.1896 eine Feier an der Stelle der Erlegung sattfand. Der König von Sachsen hatte das Original-Geweih aus der Moritzburg für diesen Tag übersandt. Alle Großgrundbesitzer und Forstbeamten aus der Umgegend nahmen an dem Fest und dem damit verbundenen Preisschießen auf drei Ständen teil.
Der Ehrenpreis des regierenden Fürsten bestand aus einem silbernen Krug und zwei silbernen Bechern. Forstaufseher Boesoldt aus Neubrück war der glückliche Gewinner mit 69 Ringen auf 100 Meter Entfernung (je drei Schuß auf die Scheibe mit 24 Ringen).
1925 fand der Forstmeister Pogge – wie er schreibt - das Denkmal in stark demoliertem Zustande vor und ließ es wieder in Stand setzen. Das war in der roten Zeit schwierig. Der Regierungspräsident dachte, es handele sich um ein „Hohenzollern-Denkmal“ und wollte die erforderlichen Gelder nicht bewilligen. Er gab seine Genehmigung erst, nachdem der zuständige Forstinspektionsbeamte ihn mit der Erklärung beruhigt hatte, es handele sich nur um ein „zoologisches Denkmal !“
In diesem Jahre ist wieder eine Instandsetzung nötig, da die Inschrift nicht mehr zu erkennen ist. Sie lautet:
 
„Diesen Hirsch hat in der Brunft-Zeit mit eigener Hand geschossen der Durchlauchtigste Großmächtigste Fürst und Herr Friedrich der Dritte Marggraf und Churfürst zu Brandenburg im Amte Biegen auf der Jacobdorffschen Heyde den 18. September 1696: hat gewogen fünff Cenntner 35 P. nachdem er schon 3 Wochen geschrieen.“
 
 
 
Aus der Oderzeitung 23.08.1936