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Schiffsunfall in der Schleuse Kersdorf

Am 10. August 1928 ereignete sich in der Südkammer der Schleuse Kersdorf der wohl spektakulärste Schiffsunfall im Bereich der Märkischen Wasserstraßen. Der folgende Betrag basiert im wesentlichen auf dem Untersuchungsbericht der Wasserstraßendirektion in Potsdam.

Es geschah am 10. August gegen 15:30 Uhr, als der Dampfer „Harald“ der Schlesischen Dampfer Kompagnie – Länge 18,83 m, Breite 4,30 m, Tiefgang 1,44 m, Maschinenstärke 110 PS – zusammen mit einem Berliner Maßkahn (46 m lang, 6,6 m breit) von 335 t Ladefähigkeit die südliche alte Schleuse in Richtung Berg (Osten) verlassen wollte.

Die Kammer war gefüllt und das Klapptor an der Ausfahrt war niedergelegt. Der Dampfer hatte den vor ihm liegenden Kahn, an der Backbordseite langsam vorwärts geschoben. Als der Kahn sich mit seinem Steuer am Oberdrempel befand, löste sich plötzlich die Kammerseitige Kannte der nördlichen Stemmsäule in Form eines mehrere Meter langen Splitters von der Säule los. Unmittelbar danach schlugen beide Flügel des Untertores mit einem heftigen Knall zum Unterwasser auf. Das Wasser strömte mit großer Gewalt aus der Schleuse aus. Der Kahn wurde mit den Wassermassen zurückgerissen und schlug mit dem Heck auf dem Schleusenboden auf. Dabei wurde er in der Mitte seiner Länge eingedrückt. Er verkeilte sich mit dem Dampfer so, dass beide Fahrzeuge auch mit steigendem Wasser nicht mehr aufschwimmen konnten.

Der Dampferbesatzung gelang es das Feuer herauszureißen und den Dampf abzulassen, ehe sie das Schiff verließ. Die Kahnbesatzung musste den Versuch aufgeben durch eine Stahltrosse das Absinken zu verhindern.

Da der Kahn das Obertor blockierte konnte dort keine Abdichtung angebracht werden. Es musste ein provisorischer Verschluss des Untertores erfolgen. Die Arbeiten nahmen die ganze Nacht vom 10. zum 11. August in Anspruch, hatten dabei den Erfolg, dass am 11. August morgens mit dem Bergen der Kahnladung be­gonnen und die Gefahr für die Scheitelhaltung des Wassers als vor­läufig behoben angesehen werden konnte. Immerhin betrug der gesamte, durch den Torbruch hervorgerufene, Wasserabfall in der 35 km langen Scheitelhaltung um diese Zeit schon 40 cm, obwohl unmittelbar nach Eintritt des Unfalls die Speisepumpen in Neuhaus und Fiirstenberg sofort in Gang gesetzt wurden, um das Absinken des Wasserspiegels zu vermeiden. Der Schiffverkehr wurde am 12. August morgens zu­nächst mit einer Einschrän­kung des Tiefganges aufge­nommen, am 14. August konnte auch diese Beschrän­kung wieder aufgehoben wer­den.

Nachdem auch am Oberhaupt ein Notverschluss eingebracht werden konnte, begann nach der vollständigen Leerung der Schleuse die Bergung der Re­stladung und anschlie­ßend die komplizierte Ber­gung beider Schiffe. Dabei stellte sich heraus, dass die Schäden am Dampfer nicht so erheblich waren und dass er vollkommen schwimmfähig geblieben war. Der Schlepp­kahn hingegen musste erst wieder in einen schwimmfähigen Zustand gebracht wer­den. Die Hebung beider Schiffe ging ohne Zwischenfälle vonstatten, Dampfer und Kahn konnten am 23. August abends schwimmend die Schleuse zum Oberwasser zu ver­lassen und fortgeschleppt werden.

Der Gesamtschaden des Unfalls wurde mit 100 000 RM (Reichsmark) veranschlagt. Kosten für die Wiederinstandsetzung der Schleuse fielen nicht an, da für den Winter 1928/29 schon der Umbau des Unterhauptes auf den heute noch bestehenden Zustand (Hubtor) geplant war.

 

Hans-Joachim Uhlemann - Schleuse Kersdorf 1996, zusammengefasst von W. Franzek