6 6 - E n d e r    &    H i r s c h d e n k m a l







Es war im Jahre 1696  
 
 
Berthol ist kein junger Mann mehr. Eigentlich heißt er Bertholmäus Fritsche und er ist der Heideläufer aus Kersdorf, dem kleinen Fischerdorf bei Briesen. Doch da er täglich seine Wälder und Gebiete durchstreift, sich regelmäßige und solide Nahrung leisten kann, ist er für seine 48 Jahre ziemlich gesund und rüstig. Seine bescheidene Hütte, die mit Stroh gedeckt ist, steht nahe der alten Wassermühle des Dorfes. Jeden Tag hört er das Mühlenwerk und das große Holzrad, das sich klappernd im klaren Mühlenfließ dreht. Insgesamt gibt es 3 Wassermühlen am Fließ, die sich wie Perlen einer Kette aufreihen. Die erste Mühle poltert direkt am Madlitzer Fischersee, die zweite Mühle in Briesen unweit der Kirche und schließlich die dritte Mühle hier in Kersdorf. Sie sind für die Einwohner und die adligen Herrschaften wichtig, denn es sind die erfahrenen Müller und ihre Gesellen, die aus dem wertvollen Korn das Mehl mahlen.
 
Stetig treibt der kleine Fluß die kräftigen Mühlwerke und riesigen Mahlsteine an, mit Kraft und lautem Getöse. Wind brauchen die Mühlen nicht und können jeden Tag arbeiten. Jetzt im September ist das meiste Getreide gemahlen, die mühsame Erntezeit vorüber. Die Tage werden merklich kürzer und die Nächte kühler.
 
Berthol besucht seinen Freund aus Kindheitstagen, den Krüger Caspar Ladewig, der nur wenige Jahre älter ist, als er selbst. Beide sind geachtete Leute im Dorf und beide kennen sich ein ganzes Leben lang. Nie hatten sie ihr kleines Fischerdorf für längere Zeit verlassen und niemals werden sie woanders sterben, als hier.
 
Sonntag, 16. September 1696, nachmittags
 
Berthol trat in das dunkle Gasthaus seines Freundes Caspar, der auch gleich auf ihn zukam. Beide begrüßten sich so, wie es Freunde tun, denn schließlich waren ihre Väter schon befreundet. Sie gingen zu ihrem Tisch und dort saßen der Dorfschulze Georg Dorn, Sohn des Martin Dorn, und der Mühlenmeister Georg Wilde, der etwas verlegen war.
„Heute habe ich ausnahmsweise meine Mühle früher verlassen. Ich denke, daß mein Müller Hans Klubsch auch ohne mich klarkommt.“, sagte er zur Begrüßung, denn der Blick von Berthol verriet ein wenig Verwunderung. „Morgen soll es endlich losgehen, Berthol, und dann erlegen sie den Hirsch.“, warf Georg Dorn ein. Da das Dorf Kersdorf nur etwa 70 Einwohner besaß, kannte hier natürlich jeder jeden und Geheimnisse waren nicht lange geheim.
„Ich weiß“, entgegnete Berthol, „auch in Briesen herrscht große Aufregung und alle wollen dabei sein. Doch alle wissen auch, daß nur wenige Leute dabei sein dürfen. Ich hoffe, daß es keine Zwischenfälle gibt, dann das wäre für uns alle ein Unglück. Unser ehrwürdige Herr Kurfürst Friedrich hat sein Lager bereits aufgebaut und soll heute aus Fürstenwalde herkommen.“ Ehrfürchtig nickten die Männer zustimmend. „Komm, mein Freund“ sagte Caspar, „trinken wir etwas auf meine Kosten und dann Berthol, erzähle uns von diesem Hirsch, denn du hast ihn gesehen!“ Caspar eilte zu seinem Ausschank und brachte die schweren Tonkrüge zum Tisch. Berthol lehnte mit einem Lächeln ab und sagte: „ Heute keinen Alkohol für mich, denn ich habe noch wichtige Dinge zu erledigen. Ja, dieser Hirsch ist wirklich riesig. Noch nie habe ich in meinem Leben solch ein Tier gesehen. Das Geweih ist schwer und hat viele Enden. Vor zwei Jahren habe ich ihn entdeckt und jedes Jahr bildet sein mächtiges Geweih neue Enden. Es ist ein sehr stolzes Tier und es ist nicht leicht ihn zu hetzen. Nur der Kurfürst ist würdig für diese Jagd, denn der Hirsch ist selber von kurfürstlicher und majestätischer Gestalt.
Das ist so, wie vor über hundert Jahren. Mein Großvater erzählte es mir so oft. Es war im Jahre 1592, noch vor dem großen und fürchterlichen Krieg. Damals streifte auch ein kapitaler Hirsch durch unsere Wälder. Das Tier war von so stattlicher Größe, daß der damalige Kurfürst Johann Georg einen Brief an alle Herrschaften schrieb. Darin verlangte er, daß nur er allein dieses Tier erlegen wolle. Niemand durfte das Tier hetzen oder fangen und auch kein Adliger durfte es jagen. Er versprach sogar eine große Belohnung, wenn die Herrschaften diesen Hirsch schützen würden und das Tier unverletzt bliebe. Und dann vergingen einige Jahre, bis der Kurfürst endlich diesen Hirsch erlegte.“
Berthol machte eine Pause und sah, daß alle im Gasthaus an seine Lippen hingen. „Und jetzt läuft wieder solch ein legendärer Hirsch durch unsere heiligen Wälder. Man sagt, daß er von einer weißen Frau mit einem weißen Pferd begleitet wird. Sie ist eine Waldfee und sie wurde tatsächlich mehrmals gesehen.“
„Erzähle den Leuten keine Geschichten, denn vor Angst gehen sie nie wieder aus dem Gasthaus raus!“, rief eine rauhe Stimme durch den Raum. Alle drehten sich um und ein Mann trat an ihren Tisch. Es war der Heidereiter Andreas Siebenbürger, der für die Jacobsdorfer Heide zuständig ist. Seine Kleidung war an diesem Tag besonders fein und seine Reiterstiefel frisch poliert. Man konnte spüren, daß er eine große Aufgabe vor sich hatte. „Ich bin unterwegs ins kurfürstliche Lager und möchte dich, Berthol, für morgen einweisen. Du und deine Männer beginnen am Gollingsee mit der Treibjagd, pünktlich eine Stunde vor Sonnenaufgang. Ihr geht dann in Richtung Spree, aber so, daß ihr Abstand zu uns haltet. Wie viele Helfer hast du zusammen?“ Berthol nickte und erwiderte: „ Ich habe 12 zuverlässige Männer aus dem Dorf und 10 Knaben. Wir ziehen noch heute am Abend los und lagern am Südufer des Gollingsees. Von Jacobsdorf kommen die anderen Treiber über das Zeisigluch und die Briesener gehen am Ufer des Kersdorfer Sees entlang. Jacob Fuhrmann, der Briesener Krügerssohn, führt diese Truppe persönlich an. Und dann sind noch die Heideläufer der Frankfurter Niederlage. Martin Wehlisch und der Däne sollen den Rehhagen und die Seemündung absperren. So ist es besprochen und so soll es sein.“ Dann stand Berthol auf und gemeinsam mit Andreas verließen sie das kleine Gasthaus. „Viel Erfolg!“ rief Andreas und eilig ritt er auf seinem Pferd davon.
 
Berthol sah ihm nach und ging nachdenklich in sein Haus. Dort hatte seine Frau Elisabeth bereits die Sachen ihres Mannes gepackt. Genau seit 20 Jahren waren sie verheiratet. Als Heideläufer im Dienste des Kurfürsten hatte es Berthol zu einem gewissen Wohlstand gebracht. Ein eigenes Heim und gesundes Vieh waren viel wert. Er war kein reicher Herr und seine Hütte bescheiden, doch immerhin konnte er sich eine Dienstmagd leisten und seine Familie lebte in sicheren Verhältnissen. Berthol war der Kersdorfer Heideläufer und er betreute die Wälder, Wiesen und Moore, hütete den kurfürstlichen Forst und er war eine Amtsperson. Das gemeine Volk hatte respektvoll zu grüßen und er achtete sehr auf Regeln und Etikette. Jeden Sonntag ging er mit Frau und Kindern nach Briesen in die hübsche Kirche, die vor 17 Jahren neu gebaut wurde. Der Pfarrer Martin Alexius, der meist nur in Jacobsdorf predigte, kannte ihn persönlich und der Briesener Kirchenvater Paul Voss war fast ein guter Freund. Man kennt sich halt. Mit Gottfried Miecke hatte er oft darüber gestritten, ob es besser wäre, wenn Kersdorf eine eigene Kirche hätte. Miecke war der Kersdorfer Lehrer der kleinen Schule, einer einfachen Winkelstube. Er mochte keine Gemeinschaft mit Briesen. Doch Berthol machte es nichts aus, wenn er jeden Sonntag mit seiner Familie die drei Kilometer nach Briesen ging. Schließlich waren die meisten Familien zwischen Kersdorf und Briesen miteinander verbunden, durch Heirat, Freundschaft oder Verwandtschaft. Solche Beziehungen über die Dorfgrenze hinaus brachten nur Vorteile für alle. Aber der Dorflehrer Miecke wollte Kersdorf abgrenzen. Dafür hatte Berthol kein Verständnis. Als Heideläufer war er es gewohnt, daß man mit den anderen Dörfern Kontakte pflegte. Egal ob die Heideläufer aus Jacobsdorf, Steinhöfel, Frankfurter Niederlage, Biegen, Neubrück oder Kersdorf, alle bildeten eine vertraute Berufsgemeinschaft und tauschten sich regelmäßig über ihrer Beobachtungen aus. Dadurch kannten sie alle Wälder und jedes Stück Vieh. Das Wild kennt ja auch keine Grenzen und ohne die Heideläufer konnte auch der Kurfürst hier nicht jagen. Andreas Siebenbürger war ihr Anführer, hoch auf seinem Pferd und mit Berthol pflegte er eine gute Freundschaft. Und weil Berthol diesen Hirsch entdeckte und die meisten Erfahrungen besaß, sollte er in Andreas Nähe bleiben. Aber zuerst mußte er seine Leute ins Nachtlager führen und dann zur Treibjagd.
 
Montag, 17. September 1696
 
Es war kühl und am Gollingsee brannten schon die Nachtfeuer, als Berthol ankam. Seinen Männern hatte er Alkohol verboten, denn sie mußten nüchtern bleiben und keine Fehler machen, dafür sorgen, daß die Jagd für Friedrich ein Erfolg wird. Die Knaben machten Berthol Sorgen, denn sie hatten noch keine Erfahrung. Sie sollten zwischen den Vätern und Männern laufen, um eine möglichst breite Kette zu bilden. Natürlich waren alle aufgeregt und besonders die Knaben unter ihnen fanden keine Ruhe. Die Kälte drang durch ihre armselige Kleidung und dicht drängten sie sich aneinander. Berthol sprach mit ihnen und gab nützlich Hinweise für den nächsten Tag. Für alle gab es Essen und Trinken, denn der Kurfürst verlangte nach guter Versorgung für seine Truppen. Und jetzt gehörten selbst diese verlausten Knaben zur Truppe.
 
Noch bevor die Sonne aufging und die Kälte verdrängen konnte, ging die Treibjagd los. Mit Knüppel schlugen sie in breiter Reihe an die Bäume und Sträucher, um möglichst alles Wild aufzuscheuchen. Trotzdem sollten sie wenig Lärm machen und unauffällig durch den Forst laufen. Im dichten Wald konnte man die Reihen kaum sichten und nur auf Lichtungen und Mooren hatte man Sichtkontakt. Eine Waffe durfte kein Mann tragen, denn es war streng verboten und ein Privileg der Adligen.
Langsam näherten sie sich der Spree. Kräftiges Wild trieben sie vor sich her, doch der Hirsch war nicht dabei. Ab und zu dröhnte ein Schuß durch den Wald. Bei jedem Büchsenknall fragte sich Berthol, ob sie den sagenhaften Hirsch erlegt hatten. Es war mittags, als Andreas auftauchte. Er berichtete kurz von der Jagd und erzählte, daß gutes Wild geschossen wurde, aber der Hirsch nicht dabei war. „Das wird jetzt schwer, denn die Schüsse haben alles Wild aufgescheucht. Der erhabene Kurfürst hätte das andere Wild nicht schießen sollen, bevor wir den Hirsch gefunden haben. Jetzt müssen alle Treiber sofort zurück und das gesamte Gebiet abriegeln. Und keinen Lärm mehr. Morgen versuchen wir es erneut.“, erklärte Berthol und Andreas stimmte zu. „Meinst du, daß der Hirsch noch in unserem Gebiet ist?“, fragte Andreas. „Ich bin mir da ziemlich sicher. Der Hirsch brüllt schon seit drei Wochen und hier sind seine Hirschkühe. Er ist vollständig in seiner Brunft und wird hier bleiben. Trotzdem müssen wir vorsichtig sein. Der Kurfürst soll das restliche Wild laufen lassen und die Büchsen müssen schweigen, sonst haben wir keine Erfolg.“, entgegnete Berthol nachdenklich. „Dann schicke deine Leute zurück und morgen sollen sie erneut treiben, wie besprochen.“, entschied Andreas, „Du mußt mich begleiten, denn ich brauche deine Hilfe. Komm mit mir, wir gehen ins kurfürstliche Lager!“
 
Berthol wurde nun doch sehr aufgeregt. Den Kurfürsten Friedrich III. hatte er noch nie gesehen. Zwar kam Friedrich regelmäßig hierher zur Jagd, doch noch nie durfte Berthol in seine Nähe. Andreas kannte hingegen den Kurfürsten, denn er war der Beiritt. Er ritt stets neben Friedrich und trug die prächtige Büchse des Kurfürsten. Andreas war als Beiritt dafür verantwortlich, daß der Kurfürst seine Waffe immer schußbereit hatte und zeigte den Weg durch die heimische Heide. Und wenn ein Tier entdeckt wurde, mußte Andreas die Büchse schnell und geräuschlos dem Kurfürsten reichen. Andreas war ein ausgezeichneter Heidereiter, der geschickt durch die mächtigen Bäume ritt und jedes Wild entdeckte. Er wußte auch, wie und wann man Friedrich ansprechen durfte und welche Worte man wählte. Und nun ging er mit Berthol durch das vornehme Lager des Kurfürsten. Berthol war sprachlos. So ein buntes Treiben hatte er nicht erwartet. Es war ein eigener Hofstaat, eine eigene Stadt aus Zelten. Zahllose Edelleute und ein Heer von Dienstleuten und Handwerkern tummelten sich. Viele Soldaten waren dabei, die für die Sicherheit zuständig waren. Mägde schleppten unermüdlich Wassereimer, Pferde wurden versorgt und mehrer Herdfeuer loderten. Mehrere Fuhrwerke, die voll beladen waren, trafen ein. Zwischen den Zelten hatte man Stroh gelegt, um den Schlamm zu bändigen. Beamte rannten aufgeregt hin und her und sogar einen Hofmaler hatte man dabei. Ein Zelt stach besonders hervor. Es war prächtig und aus schweren und reich verzierten Stoffen gebaut. Es stand genau im Zentrum und Berthol wußte, daß es das Lager von Friedrich war. Ehrfurcht packte ihn und regungslos starrte er auf das Zelt. Behutsam nahm Andreas seinen Arm und sagte: „Komm, alter Freund, ich habe ein eigenes Zelt bekommen und zwei Diener. Wir wollen etwas essen und den nächsten Tag besprechen. Den Kurfürsten siehst du noch früh genug.“
 
Vor Andreas Zelt standen schon einige Leute und warteten. Berthol erkannte den Briesener Schmied Georg Trepplin und seinen Freund den Radmacher Hans Gopfert. Andreas erklärte, daß aus Briesen die wichtigen Handwerker hier sind, da ständig Arbeiten anfallen. „Hier bricht ein Wagenrad, dort muß ein Pferd beschlagen werden oder Messer müssen geschärft werden. Für unsere Handwerker ist es ein gutes Geschäft und außerdem dürfen sie dabei sein. Eigentlich wollen alle hier sein. Sieh, sogar der greise Dorfschulze aus Briesen, Hans Schulze, Sohn des längst verstorbenen Peter Schulze, hat sich eingefunden. Der Kurfürst duldet es, wenn die Dorfschulzen, die reichen Müller und Krüger der nahen Dörfer sich hier versammeln. Sie versammeln sich am Rande des Lagers. Immerhin versorgen sie diesen riesigen Hofstaat. Dafür dürfen sie Zaungäste sein.“ Den letzten Satz flüsterte Andreas und Berthol mußte schmunzeln. Alle warteten gespannt auf die Berichte der heutigen Jagd und Andreas erzählte ihnen, daß der Kurfürst alles Wild erlegen wollte, doch am Mittag brachen sie die Jagd ab. Erlegt wurden 2 Hirsche, 6 Wildschweine und 4 Rehböcke. Doch der legendäre Hirsch war nicht dabei.
„Der Hirsch wird am Seeufer Deckung gefunden haben. Für heute darf kein Lärm mehr gemacht werden, sonst flüchtet er wohlmöglich über den Kersdorfer See. Der Däne soll ans andere Ufer gehen und dort das Wild zurücktreiben.“, sagte Berthol. Sofort holte man den Dänen und erklärte ihm die neuen Aufgaben. Der Däne war ein Heideläufer der Frankfurter Niederlage. Er hieß Hans, doch alle nannten ihn nur den Dänen. Niemand kannte seinen richtigen Namen und er selbst ließ sogar ins Kirchenbuch eintragen: Hans der Däne. Er lebte allein und war ein Draufgänger. Mit Frauen hatte er aber nichts im Sinn und darüber munkelte man häßliche Sachen. Doch Hans der Däne war eine respektvolle Erscheinung und das Geschwätz der Leute interessierte ihn nicht. Aus Kersdorf oder Briesen kam er jedenfalls nicht und wo seine Familie lebte, blieb ein Geheimnis. Vielleicht kam er tatsächlich aus Dänemark, doch niemand wußte es genau. Er war praktisch allein und bemühte sich auch nicht um eine eigene Familie. Berthol kannte ihn als guten und erfahrenen Heideläufer und was er privat machte, war auch seine Sache.
Die Fischer vom Kersdorfer See brachten den Dänen und seine Truppe mit Ruderbooten ans andere Ufer. Dort, wo der See eine Enge besaß und die Ufer nur einen Steinwurf weit entfernt lagen, dort sollten der Däne und seine Männer alles abriegeln.
 
Dienstag, 18. September 1696
 
Es waren die ersten Morgenstunden, als Berthol aus dem Zelt trat. Noch war es dunkel und dichter Nebel hatte das Lager umhüllt. Mägde und Knechte liefen flink und beschäftigt durch die Zeltreihen, ohne Lärm zu machen und auf leisen Sohlen. Friedrich schlief sicherlich noch tief und fest. Am Abend zuvor hatte Berthol den Kurfürsten gesehen und stand ganz nahe bei seiner Majestät. Jetzt wollte er allein sein und als Erster den Tag beginnen. Er ging zum nahen See, um sich frisch zu machen. Nach 15 Minuten erreichte er das Ufer. Hier war der Nebel noch schwerer und feuchter, als oben im Lager. Dann sah er ihn. Wie ein Wesen aus einem fernen Land tauchte er auf und zeigte stolz sein monströses Geweih. Solch einen stolzen Hirsch hatte Berthol noch nie in seinem Leben gesehen. Jetzt hätte der Kurfürst hier sein sollen! Doch Berthol war allein mit dem Tier und beide sahen sich direkt an. Ohne Hast trabte der Hirsch davon in Richtung zur alten Karthäuserheide. Und dann passierte etwas Unglaubliches. Unmittelbar dahinter tauchte eine weiße Frau auf einem weißen Pferd auf, die sagenhafte Waldfee. Sie schaute direkt auf Berthol, nahm Pfeil und Bogen und schoß dem Hirsch hinterher. Dann brüllte der Hirsch, als sei er getroffen. Berthol war starr vor Schreck und Furcht und unfähig sich zu bewegen. Plötzlich lichtete sich der Nebel schlagartig und gab den Blick frei. Berthol sah den Hirsch, der aber unverletzt war. Trotzdem machte er einen kraftlosen Eindruck, als wäre sein Stolz gebrochen. Die Waldfee brach den Willen ihres Tieres. Jetzt sah Berthol auch genau, wohin der Hirsch lief. Er müßte direkt zu der alten Karthäuserlichtung laufen. Doch dann senkte sich wieder der Nebel und alles verschwand.
Und auch die Waldfee war fort, ohne einen einzigen Laut. Vielleicht war sie auch nur ein Nebelschleier oder die Aufregung der letzten Tage hatte das Gemüt des Heideläufers gestört. Hatte er sich das nur eingebildet? Aber nein, denn jeder weiß, daß es Waldfeen und Geister, Moorgnome und Heidezwerge gab. Doch gesehen hatte Berthol so etwas noch nie.
„Verdammte Kälte und man sieht die Hand vor den Augen nicht!“ polterte eine Stimme am Seeufer. Als er sich erschrocken umdrehte, stand Christian Rochlitz vor ihm.
Christian war der junge Heideläufer aus Berkenbrück, den er gut kannte. Erleichtert entgegnete Berthol: „Hast du das auch gerade gesehen? Diesen stolzen Hirsch und seine Waldfee?“ Christian schaute ziemlich ungläubig und schüttelte sein Haupt. „Vielleicht war es doch nur ein Nebelschleier. Viel Glück heute, ich muß wieder rauf ins Lager, denn Andreas Siebenbürger wird schon warten.“, sagte Berthol und verschwand. Christian lächelte und meinte, daß der alte Berthol Fritsche langsam wunderlich wurde.
 
Als Berthol ins Lager eintraf, herrschte wieder diese chaotische Aufregung. Alles war in Bewegung. Für Friedrich wurden Speisen ins Zelt gebracht, der Rittmeister sattelte die Pferde und die Hunde bellten wild durcheinander. Andreas war mit seinem Pferd beschäftigt als Berthol ihn zur Seite nahm. „Höre mir gut zu, Andreas! Ich habe den Hirsch gesehen. Er lief zur Karthäuserlichtung. Reitet dorthin, noch bevor die Treiber auftauchen! Und beeilt euch, denn er wird nicht lange dort verweilen!“ Andreas war verblüfft über diesen Ratschlag, sah aber, daß es Berthol ehrlich meinte. Dann eilte er schnell zum Kurfürsten und drängte zum Aufbruch. Nach einem kurzen Wortwechsel wurde Andreas ins Zelt gelassen. Friedrich war noch nicht zur Jagd angekleidet und nahm sein Mahl ein. „Siebenbürger möchte wohl, daß sein Kurfürst verhungert? Meint er ernsthaft, wir sollten sofort aufbrechen?“ In seinen Augen loderte zwar die Jagdlust, doch so viel Hast war dem Kurfürsten zuwider. „Euer Hochwohlgeboren, ihr müßt mir verzeihen, doch diese Stunde verspricht einen guten Jagderfolg. Ich weiß wo der Hirsch in diesem Augenblick steht.“, entgegnete Andreas voller Demut, aber doch mit einiger Entschlossenheit. „Also schön. Dann bringt mir meine Kleidung, schnell und verliert keine unnötige Zeit.“, rief Friedrich und kurze Zeit später ritten sie los. Die Sonne hatte den nächtlichen Nebel noch nicht vertrieben, als Friedrich und Andreas durch den Wald ritten. In respektvollem Abstand folgten die Gehilfen und übrigen Adligen, die Mühe hatten den richtigen Weg zu finden. Niemand durfte dem Kurfürst zu nahe kommen und so erahnten sie nur die Richtung, der sie folgen mußten.
 
Dann erreichten sie die Lichtung. Andreas zügelte sein Pferd, um wenig Lärm zu verursachen. Friedrich folgte seinem Beispiel und beide Reiter trabten langsam und behutsam am Waldrand auf und ab. Hier war der Nebel etwas durchsichtiger und Andreas beobachtet das gesamte Gelände. Die Bäume hatten bereit ihr Laub herbstlich gefärbt und unsagbare Stille herrschte. Und dann sah Andreas den Hirsch. Sofort zeigte er die Richtung an und Friedrich erstarrte vor Erregung. Was für ein kapitaler Hirsch! Die Berichte, die nach Berlin drangen, waren nicht übertrieben. Solch einen Hirsch findet man nur alle 100 Jahre! Doch noch waren sie für einen Schuß zu weit entfernt. Friedrich wollte gleich über die Lichtung stürmen, doch Andreas konnte es in letzter Sekunde verhindern. „Wir müssen die Lichtung umgehen. Er darf uns nicht sehen, Majestät.“, flüsterte Andreas dem Kurfürsten zu. Dann ritten sie vorsichtig einen großen Bogen durch den Wald und als sie nördlich der Lichtung ankamen, stand der Hirsch nur 25 Meter entfernt vor ihnen. Behutsam reichte Andreas die verzierte Büchse seinem Herrn. Dann folgte der laute Schuß und augenblicklich brach der Hirsch zusammen. Sofort ritt Andreas zum erlegten Tier und zog sein großes Jagdmesser. Man konnte nie wissen, ob das Wild gleich wieder aufspringen würde. Doch der Kurfürst hatte diesmal einen guten Schuß abgegeben. Der Hirsch war tödlich getroffen. Mit sicherer Hand stach er sein Messer durch die Kehle des Tieres. Das Blut gehörte dem Wald und allen Waldgeistern und Feen. So war es Brauch und Friedrich sah von seinem edlen Pferd dem Ritual zu. Dann trafen die kürfürstlichen Truppen ein. Die Hunde konnte man nur schwer bändigen und alle lobten das Jagdglück und natürlich das Können des Kurfürsten. Niemand hingegen trat auf Andreas zu und lobte seine persönliche Entschlossenheit.
 
Als sie ins Lager zurückkehrten tobte lauter Beifall zu Ehren von Friedrich, dem großen Jäger. Unterdessen brach ein heftiger Streit darüber aus, wie viele Enden der Hirsch hatte. „Es sind 99 gerade Enden und kein Zacken weniger!“, rief Hans Töbicke, der Müllermeister aus Briesen. „Niemals! Es sind 66 ungerade Enden, Töbicke! Du bist Müller und kein Schütze!“, erwiderte sein Dorfnachbar Christian Schneider, der schließlich selbst Schütze auf der Steinhöflischen Heide war. Am Ende einigte man sich auf die 66 Enden und der Streit war damit beendet. Abseits stand Berthol und beobachtete das Geschehen. Der erlegte Hirsch war inzwischen wie auf einem Opferaltar auf einen großen Tisch gelegt. Berthol stand davor und steckte dem toten Tier einen Eichenzweig ins Maul. Damit bezeugte er seinen Respekt und Ehrfurcht für dieses Geschöpf des Waldes. Niemand wird darüber berichten, daß er es war, der ihn entdeckte. Er war es, der die Stelle anzeigen konnte und er hatte am Morgen die unglaubliche Begegnung mit der weißen Frau auf ihrem weißen Pferd. Doch den Ruhm erntete nur der erhabene Kurfürst.
 
Als Friedrich aus seinem Zelt trat und sich neben seiner Jagdbeute aufstellte, herrschte sofort andächtiges Schweigen. „Ich, Friedrich der Dritte, Kurfürst und Markgraf von Brandenburg, großmächtigster Fürst und Herr, habe mit meiner eigenen Hand diesen Hirsch geschossen. Er wiegt stattliche 5 Zentner und 35 Pfund und hat seit 3 Wochen in seiner Brunftzeit gebrüllt. Ich werde diesen Hirschschädel mit seinem Geweih in meiner Residenz aufstellen und der Hofmaler soll Bilder anfertigen, daß alle Welt es erfährt. Dem Andreas Siebenbürger werde ich einen angemessenen Hof mit allen Freiheiten, für alle Zeiten schenken, als Dank für seine treuen Dienste als Beiritt. Und nun laßt Wein fließen!“
Der Arensdorfer Bauer und Gerichtsmann Peter Erdmann stand mit seinem 14-jährigen Sohn Martin direkt neben Andreas. „Da hast du einen glücklichen Tag, mein Freund! Einen eigenen Hof und alle Abgabefreiheiten!“ sagte leise der Arensdorfer, „Ihr solltet dafür sorgen, daß der große Kurfürst einen Gedenkstein hier errichtet. Vielleicht meißelt er auch deinen Namen ein und später können deine Enkel noch stolz darauf sein.“
Andreas konnte sein Glück kaum fassen und schenkte Peter ein breites Lächeln.
 
Tatsächlich wurde großzügig Wein verteilt und das gesamte Lager feierte den Jagderfolg. Der Briesener Spielmann Hans Schmid begann zu musizieren. Gleich gesellten sich der Spielmann Matthäus Wolff aus Kersdorf und der Briesener Dorflehrer, Schulmeister Hans Krelitz, dazu und gemeinsam sangen sie Lobeslieder.
Andreas bat um Einlaß ins kurfürstliche Zelt, um sich für den versprochenen Hof angemessen zu bedanken. Er wurde auch zu Friedrich vorgelassen, der bereits in bester Stimmung war. Artig bedankte sich Andreas für die Großzügigkeit und Gnade seines Fürsten. Dann sprach er von einem Gedenkstein zu Ehren des erfolgreichen Jägers und vielleicht auch mit einer kurzen Erinnerung an die heutigen Ereignisse. Friedrich setzte sein Glas ab und schaute seinen Diener nachdenklich an. „Siebenbürger, du hast eine gute Idee. Solch einen Hirsch findet man nicht jeden Tag. Andere Fürstenhäuser werden mich beneiden und Brandenburg erfährt Anerkennung.“, und Friedrich stand auf und rief seinen Schreiber. Dann diktierte er folgenden Text:
 
„Diesen Hirsch hat in der Brunftzeit mit eigener Hand geschossen der Durchlauchtigste, Großmächtigste Fürst und Herr, Herr Friedrich der Dritte, Markgraf und Kurfürst zu Brandenburg, im Amte Biegen auf der Jacobsdorfer Heide, am 18. September anno 1696, hat gewogen fünf Zentner und 35 Pfund, nachdem er 3 Wochen geschrien.“
 
Andreas stockte der Atem, denn kein Wort über seinen Beiritt. Und außerdem war es die Karthäuser Heide. „Verzeiht mir, mein Fürst, aber es ist nicht die Jacobsdorfer Heide, sondern die Karthäuser Heide bei Briesen. Und dann….“
Doch Friedrich unterbrach Andreas ziemlich schroff und sagte mit strenger Stimme: „Die Karthäuser waren Katholiken und wurden enteignet. Jetzt untersteht das Land direkt eurem Kurfürsten, der es mit gerechter Hand verwaltet. Ich befehle, daß dieser Text unverändert bleibt und kein Wort gestrichen oder hinzugefügt wird. Laßt es in Stein meißeln und diese Tafel am Ort aufstellen, dort, wo ich diesen mächtigen Hirsch erlegt habe. Außerdem verfüge ich, daß von Briesen direkt ein fester Weg zu diesem Ort angelegt wird. Hat er es verstanden, mein lieber Siebenbürger?“
„Ja, eure Majestät. Ich werde mich persönlich darum kümmern.“, und Andreas verbeugte sich und verließ das kurfürstliche Zelt. Nun mußte er auch noch einen Weg von Briesen zur Karthäuserlichtung bauen, mitten durch Moor und Wald. Und wer soll alles bezahlen? Die Dorfschulzen müssen dabei helfen! Friedrich wünscht es so und sein Wille ist Gesetz.
 
8 Jahre später, im März 1702
 
Andreas hatte längst die 50 Jahre überschritten und seinen Dienst als königlicher Heidereiter beendet. Er saß im alten Gasthaus von Kersdorf. Gemeinsam mit seinem alten Freund Berthol erinnerten sie sich an die guten Zeiten. Inzwischen waren sie alt und beide im Ruhestand. Friedrich hatte sich vor einem Jahre zum König gekrönt und Brandenburg war nun Preußen. „Ich habe Friedrich einen Bittbrief geschrieben“, erzählte Andreas. In seiner Stimme lag Verbitterung. „Seit acht Jahren warte ich auf meinen versprochen Bauernhof und der zuständige Beamte weigert sich, mir einen Bauernhof zuzuweisen.“
„Hast du unserem König mitgeteilt, daß wir eine Steintafel aufgestellt und einen direkten Weg nach Briesen gebaut haben? Genau so, wie es Friedrich damals verlangte?“, fragte Berthol. Caspar Ladewig, der Gastwirt und Freund kam hinzu und nickte zustimmend.
„Nein. Ich habe nur geschrieben, daß mir die Beamten die Gnade des Königs verweigern und ich nun kaum noch Hoffnung habe. Einen wüsten und leeren Bauernhof habe ich mir ausgesucht. 3 Hufen Land. Das ist nicht übertrieben und maßlos von mir. Es ist weniger, als Friedrich mir versprach.“
Das ging inzwischen seit Jahren. Andreas schrieb Bittschreiben und sammelte die Aussagen von Zeugen. Das Problem bestand darin, daß Kurfürst Friedrich der Dritte nun König Friedrich der Erste war. Außerdem hatten die Provinzbeamten keine schriftlichen Weisungen erhalten. Und so entschloß sich Andreas, ein Bittschreiben direkt an den König zu senden. So saßen wieder die drei alten Männer im Kersdorfer Gasthaus und tranken und kramten in ihren Erinnerungen.
 
Plötzlich betrat ein uniformierter Reiter den Raum. „Ich suche den alten Heidereiter Andreas Siebenbürger. Mir wurde berichtet, daß er sich hier aufhalte!“, sagte er zu der Runde. Andreas stand auf und der Reiter überreichte ein versiegeltes Schreiben. Das Siegel war königlich, die Unterschrift eigenhändig von Friedrich. Andreas zitterte aufgeregt und las laut vor:
 
„An den Bittsteller Andreas Siebenbürger,
ehemaliger Heidereiter auf dem Heidehause bei Jacobsdorf:
Die königliche Majestät, unser allergnädigster Herr, hat sich allergnädigst daran erinnert, daß dem Bittsteller zur Zeit, als der Hirsch von 66 Enden unter seinem Beiritt am 18. September 1696 geschossen wurde, eine spezielle Gnade versprochen wurde. Der vorgeschlagene wüste Bauernhof, mit 3 Hufen Land im Amte Biegen, ist die vereinbarte Belohnung, die ich allergnädigst geschenkt habe. Es ist frei von allen Diensten und frei von jeder Pacht und anderen Abgaben, ausgenommen sind die Steuern, die er zu zahlen hat. Danach hat sich das dortige Amt gehorsam zu richten und hat dem Bittsteller diesen Bauernhof zuzuweisen.
Cölln an der Spree, den 28. Februar 1702, gezeichnet Friedrich.“
 
Große Freude brach aus und alle beglückwünschten Andreas. Nun würde er endlich seinen Lohn erhalten. „Hört mir zu, meine treuen Freunde!“, sprach Andreas, „wir werden allen Leuten in Briesen, Kersdorf und Umgebung bitten und überreden, daß wir die einfache Steintafel durch ein königliches Denkmal ersetzen. Es soll aus gutem Stein bestehen und der Kopf des Hirsches soll abgebildet sein mit allen 66 Enden!“
Wieder brach Jubel aus und sofort wurden Zeichnungen angefertigt. Doch dann entdeckten sie das alte Problem. Sollten sie die Inschrift unverändert lassen, oder König Friedrich einmeißeln? „Wir sollen kein Wort verändern, kein Wort hinzufügen oder vergessen! So hat es Friedrich damals verfügt und daran halten wir uns!“, erklärte Andreas, „In Fürstenwalde gibt es gute Steinmetze. Die sollen den Hirsch nach Vorlagen formen und per Schiff können wir den Stein zur Frankfurter Niederlage transportieren. Von dort ist es mit Fuhrwerken nicht mehr weit. Die Handwerke und unsere Dorfschulzen helfen bei der Finanzierung und natürlich unsere wohlhabenden Krüger.“ Dabei lachte er Caspar an und alle stimmten zu.
 
18. September 1706
 
Nun waren genau zehn Jahre vergangen, als der legendäre 66-Ender an genau dieser Stelle erlegt wurde. Die ehemalige Karthäuserlichtung war mit Menschenmassen gefüllt. Alle waren in Festtagsstimmung und die Spielleute sorgten für Musik. Die Heideläufer, die man nun königliche Förster nannte, waren versammelt und bildeten einen Kreis. Berthol und Andreas standen ganz vorn und erzählten von dem Tag, als der Hirsch fiel. Weißer Sandstein ragte über 4 Meter in die Höhe. Der Kopf des Hirsches war säuberlich modelliert und die alte Steintafel nahtlos am Sockel eingepaßt. Die Dorfschulzen mit ihren gepuderten Perücken sahen so stolz aus, als hätte man ihnen ein Denkmal errichtet. Berthol war inzwischen in jenem Alter, das milde und bescheiden macht. Es kümmerte ihn nicht mehr, daß er keinen Platz in all den Erzählungen erhielt. Er wußte, daß er allein den Hirsch entdeckte und er sah die weiße Waldfee noch genau vor sich, wie sie einen Pfeil abschoß. Dieser kapitale Hirsch. Er wurde sogar in die „Chronik der Weltgeschichte“ aufgenommen, wurde aus Gips und Holz kopiert und ausgestellt und kostbare Bilder hingen in etlichen Fürsten- und Königshäusern. Und er, Bertholmäus Fritsche, Heideläufer aus Kersdorf, hatte den 66-Ender als Erster entdeckt.
 
 
Anmerkungen:
Diese Geschichte enthält Personen und Daten, die alle geschichtlich nachgewiesen sind. Ob es sich genau so oder so ähnlich zugetragen hat, bleibt der Phantasie überlassen.
Das Originalgeweih hängt heute im Jagdschloß Moritzburg bei Dresden. Im Jahre 1896 kam es zur 200-Jahr-Feier für kurze Zeit nach Briesen zurück. Das Denkmal mit seiner Inschrift steht in rekonstruierter Form an authentischer Stelle zwischen Briesen und Kersdorfer Schleuse. Der heutige Industriewald hat nur noch wenig Ähnlichkeit mit der ursprünglichen Karthäuserheide. Statt Lichtungen, Laubwald und Moorlandschaften wachsen dort Kiefern als billige Monokulturen. Die Spree hatte damals auch einen anderen Verlauf, die Schleuse gab es noch nicht und der Rehhagen war eine unbebaute Heuwiese. Die gesamte Gegend änderte sich in den Jahrhunderten. Trotzdem blieb der Standort des Denkmals erhalten.
Andreas Siebenbürger starb in seinem geschenkten Bauernhof, der später, im Jahre1745, von seinen Erben an den Förster Reichen verkauft wurde. Bertholmäus Fritsche starb 1719 mit 71 Jahren in Kersdorf und sein Freund, der Krüger Caspar Ladewig, zehn Jahre später mit 86 Jahren. Erhalten blieben das Geweih, die Kupferstiche und Bilder, Urkunden und Erinnerungen an den legendären Hirschabschuß von 1696 und die überlieferten Geschichten der Chronisten.
 
R. Kramarczyk – Ortschronik Briesen (Mark)